Porträt

Reglindis Rauca musste immer gegen das Misstrauen ihrer Mitmenschen ankämpfen. Davon handelt nun auch ihr erster Roman.

Anders sein. Für Reglindis Rauca war das ihr ganzes Leben lang ein Thema. Das begann als junges Mädchen mit den roten Haaren, die Anlass mancher Angriffe der Mitschüler waren. „Rotes Haar und Sommersprossen, heute wirst du abgeschossen“, riefen sie hinter ihr her. Das war in den 70er und 80er Jahren in der damaligen DDR. „Alles, was irgendwie aus dem Raster fällt, macht die Menschen misstrauisch“, sagt sie mit fester Stimme.

Als Jugendliche musste Rauca mit zwei Welten zurechtkommen
Misstrauisch, das waren auch ihre Lehrer, als sie mitbekamen, dass Reglindis aus einem christlichen Elternhaus kommt. Sie schimpften daheim auf „die Roten“ und verdonnerten die Tochter zum Stillschweigen. In der Schule wird das Mädchen mit den totalitären Ideologien des Regimes konfrontiert, die sie mit ihren Eltern nicht diskutieren kann. „Es war ein Leben zwischen allen Stühlen.“
Vieles aus diesem Leben in und zwischen zwei Welten, einer Kindheit und Jugend im vogtländischen Plauen in der DDR der 80er Jahre, beschreibt sie in ihrem ersten Roman „Vuchelbeerbaamland“. Selbst 1967 in Plauen geboren, hat sie in Dresden eine Ausbildung zur Krankenpflegerin absolviert, an der Hochschule „Ernst Busch“ Schauspiel studiert, war an verschiedenen Theatern engagiert und lebt heute als Schauspielerin, Werbetexterin und Autorin in Düsseldorf. Für ihren Debütroman erhält sie in diesem Jahr den Förderpreis für Literatur der Stadt Düsseldorf.
Sie hat einen eigenen Weg gefunden – mit Hilfe des Theaters und der Literatur. Mit zwölf Jahren schrieb sie erste Texte, setzte sich mit allem auseinander, was sie beschäftigte. Es zieht die junge Frau aber ans Theater. Kurz vor der Wende wird sie an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ als „Talent des Jahrzehnts“ aufgenommen – und scheitert hier doch an den rigiden Methoden. „Ich hatte das Gefühl, die wollten meinen Willen brechen – aber ich lasse mich nicht brechen. Von niemandem.“ Sie beherzigt den Rat eines Dozenten, exmatrikuliert sich und geht ans Theater. Das Bühnendiplom macht sie quasi nebenbei.  Als die Grenzen zwischen ihrer Heimat, der DDR, und der Bundesrepublik fallen, ist die junge Frau in Berlin. „Das war eine so aufregende, irre, tolle und hoffnungsfrohe Zeit“, blickt sie zurück. 1992 kommt sie nach Düsseldorf, spielt am Schauspielhaus sowie am Kinder- und Jugendtheater. „Es war eine komplett andere Welt für mich, der Anpassungsdruck war enorm hoch“, erinnert sich Rauca.
Sie absolviert eine Zusatzausbildung zur Werbetexterin, schafft sich ein zweites Standbein, arbeitet für Düsseldorfer Agenturen. Über das Texten reift der Wunsch in ihr, ein Buch zu schreiben, zu einem konkreten Plan. Und in der Silvesternacht 2001 auf 2002 steht sie im Riesengebirge in Schnee und gibt sich das Versprechen „Ich warte nicht mehr, ich fange sofort an mit dem Schreiben!“
Kontinuierlich arbeitet sie an der Geschichte, die ihrer so ähnlich ist. Sie feilt, streicht und ändert bis zuletzt. Der Titel „Vuchelbeerbaamland“ – also Vogelbeerbaum-Land – ist Symbol für die Region des Vogtlandes, aber vor allem für „die geistige Enge, die Beschränktheit und Provinzialität, die überall sein kann“.

Nicole Bolz, Westdeutsche Zeitung, 17. Juni 2008